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Steuerstreitrecht: Ist der Zeugenbeweis vor Finanzgerichten in Deutschland noch erforderlich?

In jüngster Zeit hat der BFH in mehreren Entscheidungen den Vorrang des Zeugenbeweises bei Finanzgerichtsverfahren besonders hervorgehoben.

So hat der BFH neulich entschieden, dass der Zeugenbeweis gegenüber dem Urkundenbeweis Vorrang hat (vgl. BFH-Beschluss vom 07.08.2019 – V B 111/18).

Außerdem hat der BFH im Jahr 2018 (vgl. BFH-Beschluss vom 14.03.2018 – IV B 46/17) entschieden, dass die Finanzgerichte grundsätzlich verpflichtet seien, einem Beweisantrag nachzukommen, wenn er gestellt sei.

Die Finanzgerichte haben den entscheidungserheblichen Sachverhalt so vollständig wie möglich und bis zur Grenze des Zumutbaren, d.h. unter Ausnutzung aller verfügbaren Beweismittel nach § 76 FGO aufzuklären.

Die Finanzgerichte können auf eine beantragte Beweiserhebung im Regelfall nur dann verzichten, wenn

  • das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich sei,
  • die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden könne,
  • das Beweismittel unerreichbar, unzulässig oder absolut untauglich sei

(vgl. ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. Senatsentscheidungen vom 13. November 2007 VI B 100/07, BFH/NV 2008, 219; vom 1. Februar 2007 VI B 124/06, BFH/NV 2007, 956; vom 16. November 2005 VI R 71/99, BFH/NV 2006, 753; jeweils m.w.N.).

Gemäß § 373 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 82 FGO wird der Zeugenbeweis und damit der Beweisantrag durch die Benennung der Zeugen und der Bezeichnung der Tatsachen, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll, angetreten (vgl. BFH-Urteil vom 19.10.2011 – XR 65/09).

Die Finanzgerichte müssen dem Beweisantrag nachkommen, wenn er substanziiert ist.

Ein Beweisantrag ist substanziiert, wenn er

  • beweisbedürftigen Tatsachen benennt (vgl. Umkehrschluss aus dem BFH-Beschluss vom 3. August 2005 I B 9/05, BFH/NV 2005, 2227),
  • erkennen lässt, welche entscheidungserheblichen Tatsachen bezeugt werden sollen (vgl. Umkehrschluss aus dem Senatsbeschluss vom 21. April 2004 XI B 229/02, BFH/NV 2004, 980),
  • die unter Beweis gestellte Tatsache genau bezeichnet, dass ihre Erheblichkeit beurteilt werden kann, der das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme in Bezug auf einzelne konkrete Tatsachen genau angibt (vgl. Umkehrschluss aus dem BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2007 I B 134/07, BFH/NV 2008, 736) oder
  • so bestimmt ist, dass es sich um keinen Beweisermittlungs- oder Beweisausforschungsantrag handelt (vgl. Umkehrschluss aus dem Senatsbeschluss vom 2. März 2006 XI B 79/05, BFH/NV 2006, 1132).

Fazit: Bereits im Rahmen des Finanzgerichtserfahrens beim FG in der mündlichen Verhandlung ist der Beweisantrag mit der Benennung der Zeugen zu stellen. Wird der Zeugenbeweis vom FG nicht erhoben, ist dies bereits in der mündlichen Verhandlung zu rügen und entsprechend zu protokollieren.

Ansprechperson: Konstantin Weber, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Karlsruhe und Baden-Baden, Deutschland

Steuerstreitrecht, Einspruchs- und Finanzgerichtsverfahren, Vertretung vor Finanzgerichten, BFH und EuGH, Seminare und Inhouse-Schulungen

Kontakt: https://www.weberlaw.de/de/ E-Mail: kw@weberlaw.de

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