Ungerechtfertigte Einleitung der Strafverfahren durch die Strafverfolgungsbehörden wegen Verdachts der Steuerhinterziehung: Was soll beachtet werden […] »
Ungerechtfertigte Einleitung der Strafverfahren durch die Strafverfolgungsbehörden wegen Verdachts der Steuerhinterziehung:
Wo sind die rechtlichen Grenzen?
In welchen Fällen sind Amtshaftungsansprüche evtl. begründet?
Wo sind die Stolpersteine bei Erhebung der Amtshaftungsklagen?
Die davor skizierte Problematik taucht nicht selten bei der steuerlichen Geltendmachung der Betriebsausgaben nach § 4 Abs.4 EStG auf, wenn die StraBuSt die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nach dem Abschluss der Betriebsprüfungen für die zurückliegenden Besteuerungszeiträume wegen Verdachts der ungerechtfertigten Geltendmachung der überhöhten Betriebsausgaben einleiten. Den Beschuldigten entstehen bereits in diesen Verfahrensphasen erhebliche Kosten im Rahmen der Verteidigung durch die von ihnen beauftragten Steuerstrafverteidiger.
Einleitung der Strafverfahren durch die Strafverfolgungsbehörden:
Bei Durchführung der Betriebsprüfungen muss der Betriebsprüfer entscheiden, ob und wann er seine Erkenntnisse aus der Betriebsprüfung, die evtl. einen Anfangsverdacht begründen könnten, an die die StraBuSt weitergibt. Er wird dazu durch § 10 BpO verpflichtet. Die Klärung der weiteren Frage, wann ein Anfangsverdacht gegeben ist, lässt sich in der Praxis nur im Einzelfall klären. Die Ermittlungsbehörden haben bei der Prüfung, ob ein Anfangsverdacht i.S.d. § 152 StPO vorliegt, kein Ermessen.
Nach § 152 StPO sind die Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Das ist der Fall, wenn nach kriminalistischer Erfahrung die Möglichkeit besteht, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt (vgl. BGH vom 21.4.1988 – III ZR 255/86, NJW 1989, 96).
Die höchstrichterliche Rechtsprechung billigt den Strafverfolgungsbehörden aber bei der Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eine gewisse Freiheit bei der Bildung ihrer Auffassung zu (vgl. BGH vom 21.4.1988 – III ZR 255/86, StV 1988, 441; OLG Düsseldorf vom 27.4.2005 – I – 15 U 98/03, NJW 2005, 1791). Verschiedene Betrachter können ohne pflichtwidrig zu handeln, durchaus zu unterschiedlichen rechtlichen Ergebnissen gelangen.
Dabei ist hinsichtlich der Frage, ob ein Anfangsverdacht bestanden hat, nicht auf den Stand heutiger Erkenntnisse, sondern auf die zum Zeitpunkt der Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekannten Tatsachen abzustellen (vgl. BGH vom 21. April 1988 – III ZR 255/86, MDR 1988, 938; vom 23. Oktober 2003, III ZR 9/03,NJW 2003, 3693; OLG Dresden, vom 21. Februar 2001, 6 U 2233/00, OLGR Dresden 2001, 551).
Die Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden ist nicht auf ihre “Richtigkeit”, sondern allein daraufhin zu überprüfen, ob sie vertretbar ist (std. Rspr. BGH vom 21. April 1988 – III ZR 255/86, NJW 1989, 96).
Die Vertretbarkeit darf nur dann verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege die Einleitung der Ermittlungen gegen den Beschuldigten nicht mehr verständlich wäre (BGH vom 15. Mai 1997, III ZR 46/96, WM 1997, 1755) oder vereinfacht ausgedrückt, wenn die Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Beschuldigten bei kundigen Dritten mit gleichem Kenntnisstand gewissermaßen ein “Kopfschütteln” hervorriefe.
Wann allerdings ein “Kopfschütteln” vorliegt, ist nicht ganz klar und dies kann nur im Einzelfall durch die jeweiligen gerichtlichen Würdigungen geklärt werden.
In diesem Zusammenhang ist eine sehr lesenswerte Gerichtsentscheidung des OLG Düsseldorf vom 27.4.2005 – I – 15 U 98/03, NJW 2005, 1791 zu empfehlen.
Erhebung der Amtshaftungsklagen nach §§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG:
Insbesondere für Steuerberater ist wichtig, die die Steuerstrafverteidigung, wo rechtlich zulässig, übernommen haben und wegen ihrer Kosten für Mandanten Amtshaftungsklagen in Erwägung ziehen, Folgendes zu beachten:
Die Erhebung der Amtshaftungsklagen (erste Instanz) ist nur bei Landgerichten (Zivilkammer) wegen Anwaltszwangs rechtlich möglich. Steuerberater, die zugleich keine Rechtsanwälte sind, sind zur Klageerhebung für ihre Mandanten nicht berechtigt.
Die darauf gestützte Entscheidung, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, ist im Amtshaftungsprozess nur auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen. Das Zivilgericht prüft daher im Rahmen der Pflichtverletzung, ob ein “Kopfschütteln” vorliegt.
Bei der Amtshaftung nach § 839 BGB kommt es im Einzelnen auf folgende Voraussetzungen an:
- Verletzung einer Amtspflicht;
- Durch einen Beamten;
- verschuldet;
- Kein Mitverschulden von Beschuldigten oder Berater;
- Das Vorliegen eines Schadens;
- Haftungsbeschränkung durch eine anderweitige Ersatzmöglichkeit.
Der Kläger (der Beschuldigte) hat zu beweisen:
- Rechtswidrigkeit der Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörde;
- Schädigung durch den Beamten als Amtsträger;
- Verschulden des Beamten (schuldhaft, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig);
- Kausalität;
- Unmöglichkeit, anderweitigen Ersatz (etwa vom Steuerberater) zu erlangen.
Das jeweilige Bundesland als Beklagte hat zu beweisen:
- Versäumung eines Rechtsmittels;
- Mitverschulden.
Sachlich zuständig für die Klagen sind die Landgerichte (Zivilkammer).
Örtliche Zuständigkeiten hängen von den jeweiligen Verordnungen der Bundesländer ab. Sind die Beamten der StraBuSt betroffen, denen die Verletzung der Amtspflichten anzulasten sind, ist im Bundesland Baden-Württemberg im Regelfall das Landgericht Karlsruhe nach § 18 ZPO zuständig, da die Zuständigkeit in solchen Fällen der OFD Karlsruhe übertragen wurde. In den meisten anderen Fällen ist im Bundesland Baden-Württemberg das Landgericht Stuttgart zuständig.
Ansprechpartner für Steuerstrafrecht, Wirtschaftsstrafrecht, Umsatzsteuerrecht und Steuerstreitrecht (Einspruchs- und Finanzgerichtsverfahren), Seminare und Inhouse-Schulungen:
Konstantin Weber, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Karlsruhe und Baden-Baden
Kontakt: https://www.weberlaw.de/de/